Geschichte

Sektion Ichthyologie

Die Zoologische Staatssammlung wurde als Naturalienkabinett von König MAXIMILIAN I. Joseph am 1.Mai.1801 gegründet, und unterstand als Sammlung der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Diese frühe Naturaliensammlung enthielt unter anderem zoologische, botanische mineralogische und anatomische Objekte sowohl aus der Privatsammlung von König MAXIMILIAN, die in der Residenz aufbewahrt wurde, als auch Material aus dem RIEDLSCHEN Kabinett, das in der Akademie der Wissenschaften untergebracht war. Sein Sohn LUDWIG I. verlegte die Universität 1807 von Landshut in das Wilhelminum nach München. Mit diesem Schritt bekam die Akademie mehr wissenschaftliche Freiheit, gleichzeitig wurden aber die Sammlungen der Universität und der Akademie zusammengelegt, und in den Dienst der wissenschaftlichen Lehre gestellt. Dadurch waren unterschiedliche Universitätsprofessoren für die Kuration der zusammengelegten Sammlungen verantwortlich, einschließlich der zoologischen Präparate. Die Naturaliensammlungen wurden 1811 thematisch reorganisiert, und JOHANN BAPTIST RITTER VON SPIX wurde der erste Direktor der neu gegründeten zoologisch-anthropologischen Sammlung.

Die historische ichthyologische Sammlung der ZSM geht auf die Fische der berühmten Brasilien-Expedition (1817-1820) von SPIX und dem Botaniker CARL FRIEDRICH PHILIPP VON MARTIUS zurück.

Während SPIXs Brasilien Expedition wurden die zoologischen Sammlungen von FRANZ VON PAULA VON SCHRANK (1747-1835), dem Begründer des Botanischen Gartens München kommissarisch geleitet. Neben seinem botanischen Interesse hat PAULA VON SCHRANK nachhaltig zur Kenntnis der bayerischen Fauna beigetragen, sein wissenschaftliches Interesse galt vor allem den heimischen Insekten und Fischen. Zusammen mit den Spix-Fischen aus Brasilien bildeten die Fische die PAULA VON SCHRANK in den bayerischen Flüssen gesammelt hat den historischen Ursprung der ichthyologischen Sammlung der ZSM.

Weiteres historisches Material erhielt die ZSM noch unter der Leitung von Spix, der ein Jahr vor seinem Tod 1825 in den Niederlanden „zoologische Objekte“ erwarb, darunter sicherlich auch Fischmaterial.

In der Zeit von CARL THEODOR VON SIEBOLD (1853-1885) wurde nicht nur die zoologischen Sammlungen insgesamt, sondern vor allem die Fischsammlung substanziell vergrößert. Neben einer umfangreichen Sammlung an Fischskeletten baute SIEBOLD eine Sammlung anatomischer Fischpräparate auf, die er für seine Universitätsvorlesungen nutzte. Ein Teil dieser historischen Fischsammlung wurde kürzlich in der Präparatesammlung der Ludwig-Maximilians Universität (LMU) wieder entdeckt. Die Universität achtete jedoch streng auf die Eigenständigkeit ihrer zoologischen Sammlungen; ihr Sammlungmaterial wurde daher separat nummeriert und beschriftet, um eine Vermischung von Universitäts- und ZSM Sammlungen zu verhindern. Hintergrund hierfür war die Furcht einer kompletten Übernahme der universitätseigenen Sammlungen in die Bestände der ZSM. Für diese frühe Universitätssammlung wurde die Abkürzung ZPLMU eingeführt, um die Eigenständigkeit dieser historischen Sammlung hervorzuheben und zu bewahren; die Abkürzung steht für “Zoologische Präparatesammlung der Ludwig-Maximilians Universität München”. Die ZPLMU-Fischsammlung enthielt wertvolles historisches Material, beispielsweise Exemplare aus Aufsammlungen von SPIX, SIEBOLD, HABERER, DOFLEIN und HOFER, darunter auch Typusmaterial. Die ZPLMU-Fischsammlung wurde 2004 größtenteils in die ZSM eingegliedert, ausgenommen wenige anatomische Schaupräparate, die noch für Praktika und Vorlesungen an der LMU benötigt werden.

Unter SIEBOLD wurde ebenfalls die vergleichende anatomische Sammlung, die im Institut für Physiologie untergebracht war, in das Wilhelminum überführt, und mit den zoologischen Sammlungen der ZSM zusammengelegt. Ein Teil dieser vereinten Sammlungen waren der Öffentlichkeit in dem Naturalienkabinett im alten Wilhelminum zugänglich, dass ebenfalls von SIEBOLDs geleitet wurde.

Um 1900 erhielt die Ichthyologie umfangreiches Sammlungsmaterial aus der wissenschaftlichen Arbeit von K. A. HABERER, FRANZ DOFLEIN and BRUNO HOFER. Während die ersten beiden Wissenschaftler sich thematisch mit der Tiefseefauna der Sagami Bucht in Japan beschäftigten, und umfangreiches Sammlungsmaterial von dort mitbrachten, beschäftigte sich HOFER als Fischereibiologe mit der bayerischen Fischfauna. Zusammen mit umfangreichem Sammlungsmaterial von MORITZ WAGNER und ERNST ZUGMAYER wuchs die Fischsammlung enorm an, so dass erstmals eine eigene ichthyologische Abteilung in der ZSM gegründet wurde. ZUGMAYER war der erste wissenschaftliche Angestellte dieser ersten eigenständigen Fischabteilung. Kurz nach seiner Einstellung erhielt die ZSM 1926 den zoologischen Nachlass von PRINZESSIN THERESE VON BAYERN, darunter die äußerst umfangreiche Fischsammlung.

Die historische Fischsammlung war bis zu ihrer Zerstörung durch einen britischen Luftangriff in der Nacht von 24-25.April 1944 im Wilhelminum untergebracht. Die für die bevorstehende Auslagerung bereits in Kisten verpackte Sammlung stand im Eingangsbereich des Gebäudes. Bevor die geplante Evakuierung der Sammlung durchgeführt werden konnte, zerstörten Brand- und Sprengbomben das gesamte Museum, darunter die komplette Fischsammlung mit den dazugehörigen alten Inventarbüchern und allen weiteren Sammlungsdaten.

Etwa 300 Präparategläser überdauerten den Krieg. Es handelt sich hierbei vielfach um Einzeltiere, die offensichtlich als Schauexponate aufgestellte wurden, und vermutlich in der öffentlichen Ausstellung im Naturalienkabinett ausgestellt waren, die ebenfalls unter SIEBOLD Führung aufgebaut wurde. Diese Schauexponate wurden um 1900 aus der wissenschaftlichen Sammlung ausgegliedert und im Krieg separat ausgelagert. Weiteres historisches Material blieb durch die Entleihung an andere Museen während des Krieges erhalten, oder aber weil in die ZPLMU-Sammlung eingegliedert war. Nur von wenigen dieser Exponate sind die zugehörigen Sammlungsdaten erhalten, etwa weil der Originalzettel noch im Glas und umfassend beschriftet ist; in der Regel sind die Daten zu diesen historischen Präparaten im Krieg verloren gegangen. In seinen Anstrengungen die Sammlung wieder aufzubauen hat OTTO SCHINDLER, der erste Kurator für Ichthyologie nach dem Krieg, diese Gläser mit dem vermerk „Alte Sammlung“ 1949 in die Nachkriegssammlung aufgenommen. Die Exponate erhielten die ersten Nummern der Fischsammlung nach dem Krieg (von ZSM 1 bis etwa ZSM 330) mit dem Vermerk „Alte Sammlung“ als Hinweis auf historisches Sammlungsmaterial mit kriegsbedingten Datenverlusten. SCHINDLER, bereits 1939 als Assistent in der Sammlung tätig, konnte bei ausgewählten Einzelpräparaten die zugehörigen Sammlungsdaten ergänzen, die er bereits aus seiner frühen Arbeit in der Sammlung kannte. Abgesehen von den Daten von historischen Typen und Exponaten, konnten 2005 im Rahmen des GBIF Projektes (Global Biodiversity Information Facility) umfangreiche Daten zur historischen Sammlung recherchiert werden. Basierend auf den Informationen und Namen von Sammlern aus der Chronik von BALSS (1926) über zoologischen Sammlungen der ZSM und ZPLMU wurde weiteres, verloren geglaubtes, historisches Typenmaterial in der Sammlung wieder entdeckt.

Nach dem frühen Tod von SCHINDLER, der die Sammlung von 1949 bis 1959 leitete, übernahm FRIEDRICH TEROFAL die Leitung der Fischabteilung ab 1960 zunächst als Volontär, ab 1966 dann als Kurator.

TEROFAL und seinem Präparator FRANZ SCHARL (ab 1960, Ruhestand 1980) ist es zu verdanken, dass die Fischsammlung bald wieder Geltung erlangte. Die Nachfolge von SCHARL in der Technischen Assistenz übernahm BARBARA FEHRER, die diese Funktion von 1980 bis 1991 ausfüllte.

TEROFAL machte sich neben wissenschaftlichen Publikationen auch mit populärwissenschaftlichen Büchern einen Namen, bevor er 1988 unerwartet starb. Im September 1989 übernahm MAURICE KOTTELAT die Leitung der ichthyologischen Sammlung. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit bestand an der ZSM in der systematischen Erforschung der Süßwasserfische Südostasiens. KOTTELAT beendete seine Tätigkeit in der Zoologischen Staatssammlung Ende 1992. Konservatorisch betreut und verwaltet wurde die Sammlung zunächst von NICOLE RITTER, bevor diese Aufgabe dann kommissarisch von ULRICH GRUBER (Sektion Herpetologie) bzw. LUDWIG TIEFENBACHER (Sektion Crustacea) übernommen wurde.

Ab dem 1.1.1998 wurde die Fischsammlung dann wieder kommissarisch von der herpetologischen Abteilung durch FRANK GLAW mitbetreut. Seit Oktober 1999 ist DIRK NEUMANN zuerst als freiwillige Kraft tätig, und ein Jahr später als ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Sektion Ichthyologie aufgenommen. Neben seiner ursprünglich auf die Datenerfassung beschränkten Arbeit, übernahm NEUMANN ab dem Jahr 2000 die konservatorische Betreuung der Sammlung, und beendete die von GLAW begonnene Neuaufstellung der Sammlung.

ULRICH SCHLIEWEN ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sammlung seit dem April 2001 im Rahmen DFG-Projekten tätig, seit März 2004 ist er Leiter der Sektion Ichthyologie sowie des molekulargenetischen Labors. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Diversität und Evolution der west-zentralafrikanischen Fischfauna, der Süßwasserfische des Seen-Systems in Zentral-Sulawesi (Indonesien), sowie der bayerischen Fischfauna.

Literatur
Balss, H. 1926. Geschichte der Zoologischen Sammlungen. In: Karl Alexander von Müller. Die wissenschaftlichen Sammlungen der Ludwig-Maximilians Universität zu München. Chronik zur Jahrhundertfeier, im Auftrag des Akademischen Senats herausgegeben. 300-315.

Kraft, R. & W. Huber. 1992. Die Zoologische Schausammlung in der Alten Akademie in München 1809 – 1944. In: Diller, E. & A. Hausmann (eds.). Chronik der Zoologischen Staatssammlung – Festschrift zur Verabschiedung des Direktors der Zoologischen Staatsammlung München, Prof. Dr. Ernst Fittkau. – Spixiana, Suppl. 17: 124.