Panguana

Lage & Entstehung

1968 gründeten die Zoologen Dr. Maria Koepcke und Prof. Dr. Hans-Wilhelm Koepcke im andennahen Tiefland-Regenwald von Peru eine Forschungsstation, die sie nach einem für die Region sehr charakteristischen Vogel „Panguana“ nannten. Die Station liegt in 260 m Höhe am Río Llullapichis, einem rechten Nebenfluss des Río Pachitea, der in den Ucayali, einen der wasserreichsten Quellflüsse des Amazonas mündet, und ist nur per Boot und zu Fuß erreichbar.

Untersuchungsziel ist, in einem klar umrissenen, 2 km² grossen Primärregenwaldgebiet am Fuß der peruanischen Cordillera Oriental die Tier- und Pflanzenwelt und ihr ökologisches Beziehungsgefüge zu erforschen, wofür das Areal mit einem 16 km langen Pfadenetz versehen wurde. So kann „Panguana“ auch als Modell für eine kleinräumige Nutzung der Landschaft durch den Menschen bei gleichzeitiger Schonung großer ursprünglicher Urwaldflächen dienen.

Das durch vielfältige Biotope charakterisierte Forschungsgebiet ist leicht hügelig, enthält verschiedene Gewässer und Uferregionen, einen überschwemmungsfreien Hochwald, Sumpf-, Au- und Sekundärwälder sowie auch einige Plantagen und Viehweiden in den westlichen Randgebieten. Zur Station gehört ein Gästehaus für etwa sechs Personen, das vom Besitzer der benachbarten Farm und dessen Familie bewacht und betreut wird, die in unmittelbarer Nähe ein landesübliches Holzhaus bewohnt.

Im Osten grenzt das Areal an Indianerland, das sich bis zu dem etwa 50 km entfernten Sira-Gebirge erstreckt. In diesem umfangreichen Urwaldgebiet lebt weit verstreut ein großer Stamm der Campa-Indianer, der zum Volk der Asháninka gehört. In 4 km Entfernung zur Station befindet sich ein Zentraldorf des Stammes mit Schule, in der sich die Campakinder aus der Umgebung zum Unterricht einfinden.

Das Klima entspricht mit 25° C Jahresdurchschnitt der andennahen Lage. Die Jahresniederschläge betragen bei etwa 180 Regentagen zwischen 2000 und 3000 mm. Die Regenzeit erstreckt sich meist von Oktober bis April, gefolgt von einer relativen Trockenzeit, jedoch wird im Waldesinneren über das ganze Jahr eine permanente Luftfeuchtigkeit von 90% erreicht.

Der durch Panguana fließende, im ca. 2500 m hohen Sira-Gebirge entspringende und 40 m breite Río Llullapichis ist normalerweise 1-2 m tief, kann aber bei starken Regenfällen, die bis zu 170 mm Niederschlag in 10 Stunden erbringen, plötzlich zu einem 6-7 m tiefen, reissenden Fluss werden. Diese unberechenbaren Wasserstandsschwankungen, die besonders durch lokale Niederschläge im Sira-Gebirge ausgelöst werden, gaben ihm auch seinen Namen, der aus der alten Inkasprache Quechua stammt und „Lügender Fluss“ bedeutet.

Resümee und Ziele

Mit dem Projekt „Panguana“ soll ein einmaliges, faszinierendes Ökosystem geschützt und erhalten werden. Durch kontinuierliche wissenschaftliche Arbeit lassen sich die ungeheuer vielfältige Tier- und Pflanzenwelt erforschen, systematisch zuordnen und mit Namen belegen und die verschiedenen Lebensweisen und biologischen Beziehungen untereinander ergründen und dokumentieren, so dass sie dadurch für uns Menschen begreifbar und verfügbar sind. Es bleibt sehr zu hoffen, dass auf diese Weise in der Regenwaldregion um und in Panguana die Bedrohung durch Brandrodungen auf Dauer abgewendet werden kann.

Artenvielfalt – ein Hotspot der Diversität

Die Biodiversität ist in Panguana außergewöhnlich groß. So sind auf den 2 km² allein 500 Baumarten festgestellt, zusätzlich etwa 15 verschiedene Palmen, und über 600 Wirbeltierarten gezählt worden, darunter 353 Vogel- und 111 Säugetierarten. Die Fische sind noch kaum untersucht und mit 35 Arten nur provisorisch erfasst. Andreas Schlüter vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart fand 70 verschiedene Amphibien, dazu kommen ebenso viele Reptilien. Juliane Diller registrierte 52 Fledermausarten. Zum Vergleich: Im großen Europa gibt es nur 27 Fledermausarten, und in ganz Deutschland sind lediglich 253 Brutvögel nachgewiesen. Die Insektenfauna ist unüberschaubar artenreich. So stellte Manfred Verhaagh vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe allein über 300 Ameisenarten auf diesen 2 km² fest. Sie sind die wahren Beherrscher des Regenwaldes – in Deutschland leben auf 356 972 km² nur 110 Ameisenspezies. Etwa 250 tagfliegende Schmetterlinge konnten bisher dokumentiert werden, die Microlepidoptera werden seit 2003 schrittweise erfasst. Die Individuendichte und Biomasse der Insekten läßt sich nur vage erahnen, wenn man bedenkt, dass allein ein einzelnes Volk der dort häufig vorkommenden Blattschneiderameisen Millionen von Tieren umfasst.

Erst im Jahre 2000 hat Prof. Ernst-Gerhard Burmeister eine neue Libellen-Art, Polythore spaetheri, die nach einem Förderer der Forschungsstation benannt wurde, in Panguana entdeckt und sie 2003 in der Zeitschrift der Zoologischen Staatssammlung „Spixiana“ beschrieben.

Forschung in Panguana

Über die Tier- und Pflanzenwelt von Panguana wurden mehr als 130 Publikationen veröffentlicht und zahlreiche Diplom- und Doktorarbeiten verfasst.

Von vielen Wissenschaftlern erhielt die Zoologische Staatssammlung über Jahrzehnte hinweg aufgesammeltes, sehr umfangreiches Material aus dieser Region, das die unterschiedlichsten Tiergruppen repräsentiert und in ihren Magazinen zur weiteren Bearbeitung und Dokumentation aufbewahrt wird.

Die Mitarbeiter der Zoologischen Staatssammlung gründeten einen Forschungs-Schwerpunkt „Panguana“ im Rahmen des Südamerikaschwerpunktes der „Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns“ mit teilweise sektionsübergreifenden Projekten. Die Studien erfolgen auch in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern verschiedener Institutionen Deutschlands und anderer Länder. So besteht z. B. seit 2003 ein Kooperationsvertrag mit dem Museo de Historia Natural „Javier Prado“ der Universidad Nacional Mayor de San Marcos in Lima.

Der von der Zoologischen Staatssammlung verfasste und von der Naturschutzbehörde Perus (INRENA) unterstützte Antrag beim Landwirtschaftsministerium in Lima, dieses Primärregenwaldgebiet aufgrund seiner einmaligen Artenvielfalt unter dauerhaften Schutz zu stellen und für die Forschung verfügbar zu halten, wird nun in kurzer Zeit vertraglich unterzeichnet werden können. Gleichzeitig bestehen Bemühungen, das Gebiet durch Erwerb weiterer angrenzender Urwaldanteile, finanziert mit privaten Mitteln, zu vergrößern.

Neueste Veröffentlichungen über Panguana und mit Panguana-Material ab 2001

2014

Diller, J. (2014): Biodiversitätsforschung und Regenwaldschutz im Reich der Sonnenralle.– Natur und Wissen. Mitteilungen aus dem Naturwissenschftlichen Verein in Hamburg, 9 (10): 8-11.

Friedrich, S. (2014): The Peruvian short-tailed whip scorpion Surazomus chavin – rediscovery after three decades and first photographic documentation (Arachnida, Schizomida, Hubbardiidae).- Spixiana 37 (1): 131-134.

Friedrich, S. & Burmeister, E.-G. (2014): First record of the genus Idiops Perty, 1833 from Peru (Araneae, Mygalomorphae, Idiopidae).- Spixiana 37 (1): 130.

Thöny, H. (2014): Die Gattung Gonodonta HÜBNER, 1818 in Panguana, Provinz Huánuco, Peru (Lepidoptera, Noctuoidea, Erebidae, Calpinae, Calpini).- Nachrichten des Entomologischen Vereins Apollo, N.F. 35 (1-2): 47-52.

2013

Börzsöny, L. (2013): Polythore koepckei spec. nov. from the Sira Mountains in Peru with remarks on related species (Odonata, Zygoptera, Polythoridae).- Spixiana 36 (2): 265-268.

Diller, J. (2013): Panguana. Forschungsstation und Naturschutzgebiet im amazonischen Regenwald.- München: Hofpfisterei: 14 S. (2 Ausgaben, in Deutsch und Spanisch).

Ellenrieder, N. von (2013): A revision of Metaleptobasis Calvert (Odonata: Coenagrionidae) with seven synonymies and the description of eighteen new species from South America.- Zootaxa 3738 (1): 1-155.

2012

Diller, J. (2012): Panguana, eine Forschungsstation im Regenwald von Peru stellt sich vor.- Edessana 2: 5-7, Abb. 20-23.

2011

Amézquita, A. et al. (2011): Acoustic interference and recognition space within a complex assemblage of dendrobatid frogs.- Proceedings of the National Acedemy of Sciences U.S.A. (PNAS), Oct 11, 108 (41): 17058-17063.

Arnold, K. (2011): Fragmenta Heteroptera Neotropica IX (Insecta: Hemiptera: Heteroptera).- Edessana 1: 69-112.

Montanarin, A., Kaefer, I.L. & Lima, A.P. (2011): Courtship and mating behaviour of the brilliant-thighed frog Allobates femoralis from Central Amazonia: implications for the study of a species complex.- Ethology Ecology & Evolution 23 (2): 141-150, Article Number: PII 936311381.

Velazco, S., Pacheco, V. & Meschede, A. (2011): First occurrence of the rare emballonurid bat Cyttarops alecto (Thomas, 1913) in Peru – Only hard to find or truly rare? – Mammalian Biology 76 (3): 373-376.

2010

Diller, J. (2010): Panguana – Forschungsstation und Schutzgebiet.- München: Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH: 24 S. (2 Ausgaben, in Deutsch und Spanisch).

Rheims, C.A. (2010): A new genus of huntsman spiders from the Neotropical region (Araneae: Sparassidae: Heteropodinae).- Zootaxa 2650: 53-56.

2009

Hoffmann, J. (2009): Summary catalogue of the Odonata of Peru. Kommentiertes Faksimile des Manuskripts von J. Cowley, Cambridge, 20.05.1933 und aktuelle Liste der Odonaten Perus mit Fundortangaben sowie Historie zu Sammlern und Odonatologen in Peru. Beiliegende CD: Colour facsimile of the Cowley manuscript. – IDF-Report. Newsletter of the International Dragonfly Fund 16: 115 S., 1 CD-ROM.

Rasmussen, C. (2009): Diversity and Abundance of Orchid Bees (Hymenoptera: Apidae, Euglossini) in a Tropical Rainforest Succession.- Neotropical Entomology 38 (1): 66-73.

Rödder, D. & Schlüter, A. (2009): Pristimantis minutulus Duellmann & Hedges, 2007 (Anura: Strabomantidae): geographic range estension and colour polymorphism.- Salamandra 45 (1): 53-56.

2008

Candiani, D.F., Bonaldo, A.B. & Brescovit, A.D. (2008): On the neotropical spider genus Tenedos (Araneae: Zodariidae) with description of three new species.- Revista Brasileira de Zoologia 25 (1): 128-138.

Polotov, D. & Brescovit, A.D. (2008): Revision of the Neotropical spider genus Gephyroctenus (Araneae: Ctenidae: Calocteninae).- Revista Brasileira de Zoologia 25 (4): 705-715.

2007

Diller, J. & Burmeister, E.-G. (2007): Panguana – ein peruanischer Vogelname für eine bayerische Urwaldforschungsstation.- Aviso 1/2007: 46-49.

Hennemann, F.H. & Conle, O.V. (2007): Studies on neotropical Phasmatodea VII. Descriptions of a new genus and four new species of Diapheromerinae from Peru and Bolivia (Phasmatodea, “Anareolatae”, Diapheromeridae).- Mitteilungen der Münchner Entomologischen Gesellschaft 97 (Suppl.): 89-112.

Lozada, P.W. et al. (2007): Las especies de „cigarritas“ (Hemiptera: Cicadellidae) de Panguana, Peru). – XLIX Convención Nacional de Entomología, 11 – 15 noviembre del 2007, Lambayeque – Perú. Programa y resúmenes.- Pág. 16 (resumen).

2006

Amézquita, A. et al. (2006): Masking Interference and the Evolution of the Acoustic Communication System in the Amazon Dendrobatid Frog Allobates femoralis.- Evolution 60 (9): 1874-1887.

Burmeister, E.-G. (2006): Im Regenwald am Fuß der Anden.- Mitteilungen des Thüringer Entomologenverbandes e.V. 13 (1): 72-81.

Etscher, V., Miller, M.A. & Burmeister, E.-G. (2006): The larva of Polythore spaetheri Burmeister & Börsöny, with comparison to other polythorid larva and molecular species assignment (Zygoptera: Polythoridae).- Odonatologica 35 (2): 127-142.

2005

Hennemann, F.H. & Conle, O. (2005): Een expeditie in het onderzoekcentrum van Panguana (September-Oktober 2004).- Phasma 15 (57): 16-21.

Schlüter, A. (2005): Amphibien an einem Stillgewässer in Peru mit einer illustrierten Checklist der Amphibien und Reptilien des unteren Río Llullapichis.- Frankfurt/M.: Edition Chimaira, 347 S.

Schlüter, A. (2005): Chiasmocleis ventrimaculata andHamptophryne bolivina (NCN), Effect of peccary-hunting on breeding habitats.- Herpetological Review 36 (2): 160.

Schönitzer, K. & Diller, J. (2005): Biodiversidad de insectos y otros invertebrados en la estación biológica “Panguana”, Perú 2004. Informe sobre la expedición científica a la Amazonía Peruana en el año 2004 y resultados científicos preliminares.- Weiden: Fotobuch.de., 40 S.

Schmidt, C. & Leitikow, A. (2005): Review of the genus Androdeloscia Leistikow, with description of four new species (Crustacea: Isopoda: Oniscidea).- Entomologische Abhandlungen 62 (2): 117-163.

2004

Conle, O. & Hennemann, F. (2004): Los insectos palo (Phasmatodea) de Panguana.- Weiden: Fotobuch.de., 40 S.

Schlüter, A., Icochea, J. & Perez, J.M. (2004): Amphibians and reptiles of the lower Río Yuyapichis, Amazonian Peru: updated species list with ecological and biogeographical notes.- Salamandra 40 (2): S.141-160.

2003

Burmeister, E.-G. & Börsöny, L. (2003): Polythore spaeteri, spec. nov. from the Peruvian tropical rainforest (Panguana), with remarks on its ecology (Odonata, Zygoptera, Polythoridae).- Spixiana 26 (1): 43-48.

2002

Bembé, B. (2002): Prachtbienenfunde aus Panguana, Huánuco, Peru (Hymenoptera, Apidae, Euglossini).- Spixiana 25 (3): 245-249.

Conle, O.V. & Hennemann, F.H. (2002): Revision neotropischer Phasmatodea: die Tribus Anisomorphini sensu Bradley u. Galil 1977 (Insecta, Phasmatodea, Pseudophasmatidae).- Spixiana Supplement 28: 141 S.

2001

Leistikow, A. (2001): The genus Erophiloscia Vandel, 1972: Its phylogeny and biogeography, with description of three new species (Crustacea, Isopoda, Oniscidea).- Spixiana 24 (1): 29-51