Die Sammlung von Prinzessin Therese von Bayern (1850-1925)

Sektion Ichthyologie

Prinzessin THERESE von BAYERN (1850-1925) interessierte sich früh für Naturwissenschaften, allerdings waren Frauen an Bayerischen Universitäten bis 1903 nicht zugelassen. Ihre breitgefächerte Bildung in Geologie, Ethnologie, Botanik und Zoologie erwirbt sie sich im Selbststudium. Mit 21 beginnt sie, Europa und Nordafrika zu bereisen, und lernt so insgesamt 12 Landessprachen in Wort und Schrift. Bei Ihren expeditionsähnlichen Fahrten lebt sie spartanisch und reist stets inkognito mit maximal drei persönlichen Bediensteten. 1892 wird THERESE von BAYERN zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft sowie der Akademie der Wissenschaften ernannt. 1897 erhielt sie – für Autodidakten und eine Frau zu dieser Zeit eine Seltenheit – von der Philosophischen Fakultät der Universität München die Ehrendoktorwürde.

Von der mehr als ein halbes Jahr dauernden Sammelreise 1898 quer durch Südamerika brachte THERESE von BAYERN eine umfangreiche Sammlung zoologischer, botanischer und ethnologischer Objekte mit. Allein die Fischausbeute betrug 228 Fische aus 91 Arten, von denen von FRANZ STEINDACHNER in den Jahren 1900 und 1902 8 als wissenschaftlich neue Arten beschreibt. Der gesamte zoologische Nachlass wurde 1926 testamentarisch an die Zoologische Staatssammlung München übereignet (BALSS, 1926), darunter auch die Fischsammlung der Brasilien-Reise von 1898 und die Exemplare der Mexiko-Reise von 1893. Die Fischsammlung von THERESE von BAYERN ist im Zweiten Weltkrieg vermutlich nahezu vollständig zerstört worden. Wenige Dubletten der Sammlung blieben in Wien erhalten, die Steindachner von THERESE von BAYERN nach der wissenschaftlichen Bearbeitung des Materials von Ihr erhalten hat.

Mexiko-Reise 1893

Von Ihrer Reise nach Mexiko bringt THERESE von BAYERN auch eine kleine Sammlung von etwa 20 Fischen mit, aus der Steindachner in den Jahren 1894 und 1895 fünf neue Arten beschreibt, Atherinichthys grandoculis, A. breve, Algansea lacustris, A. tarascorum und Characodon luitpoldii. Weiter sind in der Sammlung noch die Arten Chirostoma humboldtianum, Ch. estor und Characodon ferrugineus enthalten.

Am 4.Okt.1893 erreicht die Gruppe den Lago de Cuitzeo, und quartiert sich abends im der Stadt Morelia ein. Am Nachmittag um 14.00 Uhr des 5. Oktobers brechen sie mit dem Zug nach Pátzcuaro auf, wo sie am Abend ankommen. Am Morgen des 6.Oktobers kauft THERESE von BAYERN von einheimischen Fischern am See einzelne Individuen für Ihre Sammlung: „In den Canoas lagen Fische fünferlei Arten, die mit Netzen gefangen …waren. Indianische Fischer … verschafften mir Exemplare der verschiedenen Fischarten. Es waren zwei Arten von Chirostoma [Chirostoma humboldtianum, Ch. estor], zwei von Algansea [Algansea lacustris, A. tarascorum] und eine Spezies von Characodon [Characodon luitpoldii]. … Später [am gleichen Tag] fahren wir … nach dem 97 m höher gelegenen Pátzcuaro hinauf … Das Marktleben war in vollem Gange … Ich bemerkte zwei weitere Arten von Fischen, welche durch ihre Kleinheit auffielen und sich in halbgetrockneten Zustande befanden. Nach Angaben der indianischen Verkäuferin stammen sie aus dem Cuitzeo See. … und zwar stellte sich der Chirostoma ebenfalls als neue Art heraus [vermutlich handelt es sich aber um Atherinichthys breve], indessen der Cyprinodont der schon bekannten Spezies Characodon ferrugineus zuzuordnen ist.

Die Südamerika-Reise 1898

Die insgesamt fünfte Atlantiküberquerung führte THERESE von BAYERN zunächst in die Karibik. Sie hatte am 27. Mai 1898 Spanien verlassen, und erreichte die Kleinen Antillen am 7. Juni. Kürzere Aufenthalte in Martinique (Fort de France) und auf Guadeloupe (Point-à-Pitre) nutzte Sie um die örtlichen Fischmärke zu besuchen, wo sie einzelne Fische für ihre Sammlung kaufte. Über Trinidad und Venezuela (Carupano) ging es weiter nach Kolumbien, dem Hauptziel ihrer Reise, wo THERESE von BAYERN vor allem an der Erforschung des Rio Magdalena interessiert war.

Barranquilla an der Mündung des Rio Magdalena, bereits damals eine Stadt mit 40 000 Einwohnern,war die erste Station. Sie beauftragt lokale Fischer mit dem Fang von Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln. An Fischen erhält THERESE von BAYERN aus dem Hauptstrom des Rio Magdalena und seinen seeartig erweiterten Nebenarmen, den Cienagas, unter anderem Acara coeruleopunctata, Chalcinus magdalenae, Cynopotamus magdalenae, Trachycoristes magdalenae, Girardinus caucanus, Sternopygus humboldtii und Sternopygus aequilabiatus.

Am. 18. Juni fuhren sie mit einem einfachen Heckraddampfer den Rio Magdalena stromaufwärts in das 535 km entfernte Bodega Central. Aus den Fängen der lokalen Fischer in diesem kleinen Kirchendorf stammen neben dem Süßwasserstechrochen Potamotrygon magdalenae auch die Typusexemplare von Loricaria aurea und Leporinus muyscorum. Von dort aus brachen sie mit einem kleineren Flussdampfer zu einer viertägigen Expedition in den Rio Lebrija auf, in ein damals fast menschenleeres Gebiet, wo sie neben einem großen Pseudoplatystoma fasciatum auch Belegtiere von Petenia kraussii,Prochilodus asper und Curimatus mivarti (aus dem Dorf Santander) beziehungsweise Brycon labiatus (aus Barrancas) mitbrachte. Nach ihrer Rückkehr und einem weiteren kurzen Aufenthalt in Bodega Central, das neben der paradiesischen Landschaft unter anderem auch für die dort auftretenden schweren Malariafieber bekannt war, ging es auf dem Rio Magdalena nochmals 450 km stromaufwärts bis La Dorada und von dort aus mit der zirka 37 km langen La-Dorado Eisenbahn noch Honda, von wo aus sie mit Maultieren nach Bogota weiterreisten. Am 12. Juni verließen sie Bogota wieder, und ritten über Ibague durch die unwirtlichen Llanos nach Ambalema.

„Außer in Bogotá sammelten wir Fische nur in Ibagué … Letztgenannte Fische gehören zur Species Geophagus crassilabris und stammen aus der Quebrada Cabuial, einem kleinen Zuflusse des vom Nevado de Tolima herabströmenden und bei Coello in den oberen Magdalena mündenden Rio Combeima“ (THERESE von BAYERN, 1902).

Am 26. Juli wollten Sie die Weiterreise nach La Dorada antreten, um den Dampfer zurück nach Baranquilla zu erreichen. Da kein kleinerer Dampfer in Ambalema für diese Reiseetappe zur Verfügung stand, mussten sie die gefährliche Floßfahrt bis oberhalb der Stromschnellen von Honda wagen; den Weg von Arrancaplumas nach Honda legten Sie zu Fuß zurück, und von dort aus am 28. Juli weiter mit der Eisenbahn nach La Dorada. Am nächsten Tag gelangten sie flussabwärts bis Puerto Berrio. Am 4. August 1898 kehrten sie nach Barranquilla zurück. Das nächste Etappenziel war Cartagena, das sie nach einer kurzen Dampferpassage auf dem Rio Magdalena bis Calomar und von dort nach weiteren 104 km mit der Eisenbahn erreichten. Am 9. August verließen sie Kolumbien auf dem Karibischen Meer in Richtung Colon (Panama). Der Panama-Kanal war damals noch nicht projektiert, und so fuhren sie mit der ersten transamerikanischen Eisenbahn nach Panama City, wo sie sich am 11.August auf der „Palena“ nach Guayaquil (Ekuador) einschifften.

„Dem Umstande, dass in der unmittelbaren Nähe von Guayaquils sich Salz-, Brack- und Süßwasser vorfindet, verdank man es wohl, dass der Fischmarkt daselbst so reichlich bestellt ist. Wir konnten unsere Sammlung durch 13 verschiedene Fischarten bereichern, unter welchen sich zwei neue Species befanden, ein Pomadasys und ein Mugil. […]Ersterer, als Pomadasys schryii beschrieben, trägt seinen Artnamen nach dem Titel, welchen in vorcolumbianischer Zeit die Herrscher des Quitoreiches führten. Letzterer, jetzt als Mugil charlottae veröffentlicht, stammt aus dem Rio de Bodegas […].“ Weitere Arten in der Sammlung von THERESE von BAYERN waren Elops saurus, Centropomus undecimalis, Anisotremus (Paraconodon) pacifici, Gerres (Eucinostomus) dowi, Miropogon altipinnis, Parapsettus panamensis, Batrachoides pacifici, Caranx chilensis und Tetraodon annulatus.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Guayaquil setzten sie ihre Reise am 17. August mit dem Schiff auf dem Rio Guayas und Rio Bodegas bis zum zirka 30 km landeinwärts gelegenen Babahoyo fort. Von dort brachte sie Plecostomus spinosissimus, Macrodon microlepis, Lebiasina bimaculata, und Curimatus troscheli mit. Die Fische wurden eigens für THERESE von BAYERN gefangen und ihr noch lebend übergeben. „Die Reittour von dem überaus unsauberen Städtchen Babahoyo bis zum Páramo des Chimborazo, … war in ichthyologischer Beziehung fast ereignislos. Wir erhielten nur eine einzige Fischart (Arges prenadilla C.V.), und zwar aus dem Rio Chimbo bei Guaranda, in einer Seehöhe von circa 2400 m.“ (THERESE von BAYERN, 1902).

Am 23. August erreicht die Expedition Guaranda, die Haupstadt der Provinz Bolivar, um von dort aus zum Chimborazo aufzubrechen. Sie betrachteten den 6310 m hohen Vulkan vom Dorf Paramo aus, und kehrten über Bolivar und Guaranda (28. August) nach Guayaquil zurück.

Am 6. September verließen sie Ekuador an Bord des englischen Dampfers „Arequipa“ und erreichten nach einer 6-tägigen Schiffsfahrt am 12. September die peruanische Hauptstadt Lima. „In Lima, […], wurden die aus der Umgegend reichbeschickten Fischmärkte wiederholt besucht und 14 Arten Meer- und Flussfische erworben.“ (THERESE von BAYERN, 1902). Nach kurzen Abstechern in die Ruinenstadt Pachacamac und nach Oroya verließen sie Lima am 23.September an Bord des chilenischen Dampfers „Loa“. Bevor sie am 26. September in Mollendo ankamen, „betraten peruanischen [sie] Boden zuerst in Payta . […] Etliche Medizinweiber hielten da, im ausgetrockneten Flussbette, einen primitiven Fischmarkt ab. Wir kauften drei Arten von Seefischen. Eine derselben, eine Serranus-Art, erwies sich als neu [Serranus huascarii], eine zweite, eine krebsrothe Pontinus-Species, als vermutlich neu. [die dritte ist vermutlich Isopisthus analis ] […]. Zwei Tage später lief unser Dampfer Pacasmayo an, … Der unbedeutende Ort wird von einem […] bachartigen Wasser durchflossen, welches ein Canal des Rio Jequetepeque sein könnte, und von kleinen Fischen wimmelte. Unser Netz war an Bord geblieben, da wir in dieser sandigen Wüstengegend kein Fischwasser vermuthet hatten. […] Nach unsäglicher Mühe gelang es endlich zwölf kleine Fische, und zwar auf einen Griff zu erbeuten. […] außer Tetragonopterus peruvianus […] hatten wir zwei Exemplare einer neuen Pimelodella-Art gefangen. Letztere ist nun unter dem Namen Pimelodella yuncensis beschrieben“ (THERESE von BAYERN, 1902). Aus Callao, einem weiteren Stopp dieser Seereise, kaufte sie auf dem Fischmarkt folgende Arten: Serranus humeralis, Isacia conceptionis (Pristipoma conceptiones), Haplodactylus punctatus, Sciaena gilberti, Chilodactylus variegatus, Caulolatilus princeps, Scomber colias, Chirostoma affine, Mugil cephalus, Clinus (Labrisomus) philippi und Genypterus blacodes.

Am 27.September ging es mit dem Zug nach Arequipa, wo sie am 28. September ankamen. „Unser erster Gang in Arequipa galt dem Markte, nach Fischen zu suchen. Wir erhielten daselbst nur solche aus dem Rio Tambo [Atherinopsis (?) reguis], einem südöstlich von Mollendo in das Meer mündenden Flusse“. Auf einer kleineren Exkursion ins Umland „[…] richtete ich einem Choloknaben mittels einer leeren Weißweinflasche eine Art primitiver Fischreuse zurecht und schickte ihn im Rio Chili sein Glück zu versuchen. […] mit einer neuen Welsart, die nun den Namen Pygidium quechuorum führt, kehrte er von seiner Sendung zurück.“ (THERESE von BAYERN, 1902).

Am 29.ten setzten sie ihre Reise zum Titicaca-See über das sumpfige Hochplateau fort. Am Abend des gleichen Tages kamen sie im 350 km entfernten Puno an. Sie bestiegen dort gleich den bereit liegenden Dampfer, um am nächsten Tag über die Laguna de Huarina Richtung Bolivien weiterzureisen. den Morgen nutzen sie aber noch zu einer Stadtbesichtigung von Puno. Am nächsten Morgen befanden sie sich in der Bucht von Chililaya. In einem Vierspänner ging die Reise weiter über das flache Hochland nach La Paz. „In Machacamac, einer einsamen Poststation zwischen Chililaya und La Paz, fischte ich mit [einem] Netz in einem morastigen Tümpel hinter dem Hause. Ich erbeutete außer Orestia agassizi […]“ (THERESE von BAYERN, 1902). Vom Titicaca-See brachte sie eine weitere Orestias-Art mit, Orestias pentlandi i.

Am 3. Oktober traten sie auf dem Dampfer „Cachapoal“ die Weiterreise nach Oruro, das sie nach drei Tagen erreichten. Von dort aus ging es mit der Bahn quer durch die Wüste Atacama an die Küste Chiles. Nach 5 Tagen kamen sie in Antofagasta an. „In Antofagasta, einer chilenischen Hafenstadt …, hatten wir zum letzten male Gelegenheit selbst zu fischen. Die kleinen, von der Ebbe … zurückgelassenen Wasserlachen lieferten uns Doydixodon laevifrons. […] Auf einer ziemlich reizlosen Küstenfahrt hinunter bis Valparaiso konnten wir nur in Caldera, und zwar aus einem Fischerboote, einige Seefische erlangen. (THERESE von BAYERN, 1902).

Am 14. Oktober gingen sie in Valparaiso an Land. Bis zu ihrer Einschiffung in Buenos Aires war gerade noch eine Woche Zeit. Nach Ordnen des inzwischen umfangreichen Gepäcks durch die enorm angewachsene Sammlung, machten sie sich noch am gleichen Tag mit der Eisenbahn in Richtung Anden auf den Weg nach Santa Rosa de los Andes. Mit einem Pferdegespann überquerten sie den 3970 m hohen Upsallata-Paß und begannen am 17.Oktober den Abstieg nach Punta de los Vacos, von wo aus sie mit der Bahn über das 142 km östlich gelegene Mendoza nach San Luis weiterreisten. Die nächste Station war Mercedes. Ihr eigentliches Ziel, Buenos Aires war noch über 1000 km entfernt. für diese Strecke benötigte der Zug 33 Stunden, er traf am Morgen des 20. Oktober in Buenos Aires ein. Am 21. Oktober 1898 um 5:00 Uhr legte das Schiff „Portugal“ ab und fuhr in den Rio de la Plata ein. Nach dem queren des Rio de la Plata legte die „Portugal“ 300 km flussabwärts am nächsten Tag in Montevideo an. Den kurzen Aufenthalt nutze THERESE von BAYERN für einen kurzen Besuch des Fischmarkes, von dem sie unter anderem die Fischarten Urophycis brasiliensis, Paralichthys brasiliensis, Prionotus punctatus, Menticirrhus martinicensis, Sagenichthys ancylodon für ihre Sammlung kaufen konnte. Am 30. Oktober bracht die „Portugal“ von Pernambuco nach Europa auf, wo sie am 9.November in Lissabon ankam.

Literatur

Bayern, Therese von. 1895. Vorwort. In: Steindachner, F. Über einige Fischarten Mexico’s und den Seen, in welchen Sie vorkommen. Denkschriften der math.-naturwiss. Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien 62.

— . 1902. Vorwort. In: Steindachner, F. 1902. Herpetologische und ichtyologische Ergebnisse einer Reise nach Südamerika. Denkschriften der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien 72.

Huber, W. 1998. Münchener Naturforscher in Südamerika. Verlag Pfeil, München.